Harmonie vor Platzierung! Und mögen Pferde Turniere?

"Harmonie vor Platzierung" ist vermutlich nicht unbedingt der werbewirksamste Slogan als C-Trainerin für Reiten als Leistungssport.

Nachdem ich vor 35 Jahren mit dem Reiten begonnen habe, lernte ich etwas später einige aktive Turnierreiter kennen und übernahm die Pflege der Pferde im heimischen Stall vor und nach dem Reiten und begleitete und betreute diese auf einer Vielzahl von Turnieren. In dieser Zeit war es für mich das natürlichste der Welt, an beinahe jedem Wochenende die Pferde zu verladen und zum Turnier zu fahren.
Auch hatte ich auch die Möglichkeit mit den von mir betreuten Springpferden in Dressurprüfungen und später auch in Springprüfungen zu starten.

Während zu Beginn meiner aktiven Turnierreiterei noch der Erfolg im Vordergrund stand, verlief meine reiterliche und persönliche Entwicklung zunehmend in die Richtung, dass das faire Miteinander und die Harmonie in den Vordergrund rückten.
Diese Entwicklung hat mein erstes eigenes Pferd Filou maßgeblich beeinflusst. Mit ihm habe ich in das Vielseitigkeitsreiten hineingeschnuppert und meine Faszination für diesen anspruchsvollen Sport entdeckt.
Insbesondere die Erfahrung und Überzeugung, dass diese Reitsportdisziplin nur mit absolutem gegenseitigen Vertrauen zwischen Pferd und Reiter und keinesfalls mit Druck und Zwang zu meistern ist, übt diese besondere Faszination auf mich aus. (Das Pferd entscheidet, wann und ob es ein Hindernis überwindet und ich versuche es dabei nicht zu behindern. ;) )

Mir selbst bleibt mittlerweile eher wenig Zeit zum Trainieren. Dennoch nehme ich hin und wieder gern an Turnieren teil. Allerdings beschäftige ich mich schon seit vielen Jahren mit der Frage, ob Pferde Turniere mögen. Wenn man sich auf Turnierplätzen umschaut und Pferde und Reiter beobachtet, erscheint es oft nicht so, als hätten Reiter und Pferde Spaß am Turnierreiten.
Da für mich die Faszination des Reitens in der Freude an der gemeinsamen Arbeit und dem Miteinander von Pferd und Reiter liegt, stehe ich hier oft einem Interessenkonflikt gegenüber. Ich weiss um die Gutmütigkeit dieser großen und erhabenen Tiere, die oft alles geben, um uns zu gefallen und uns Dinge recht zu machen. Und ich habe mich oft gefragt, wo die Grenze zwischen Spaß und Unzumutbarkeit liegt.
Daher beginnt für mich ein gutes Turnier schon in der Vorbereitung. Ich achte darauf, das ausreichend Zeit für das Putzen und Verladen sowie für eine möglichst pferdefreundliche und schonende Fahrweise während der Fahrt zum Turnier eingeplant ist.
Auf dem Turnierplatz versuche ich, meinem Pferd Sicherheit zu geben, in dem ich selbst während der Vorbereitung und der Prüfung so ruhig und entspannt wie möglich bleibe. Ich habe während der letzten Jahre die Erfahrung gemacht, dass auch mit dieser Entspanntheit Turniererfolge zu erzielen sind und verfolge diesen stressfreien Weg, den ich für meine Pferde und mich entdeckt habe weiter.

Vor einigen Jahren hat mich ein Erlebnis mit einer Reitschülerin und einen meiner Pferde auf einem Turnier sehr nachdenklich und traurig gestimmt. Das betreffende Pferd fühlt sich am längeren Zügel und in entspannter Haltung mit leichter
"Dehnungshaltungstendenz" sehr wohl. Während der ersten Turnierstarts war dieses Pferd sehr nervös und leicht abzulenken, aber mit dieser Reiterin fühlte er sich wohl und sicher und absolvierte zum ersten Mal eine E-Dressur absolut entspannt. Es gab einen kleinen "Patzer" in Form eines kurzen Ausfalls aus den Galopp aber insgesamt war es eine sehr harmonische Vorstellung, die von den Richtern wegen der langen Zügelführung leider mit einer Wertnote von 4,0 quittiert wurde. Mit ist zwar klar, dass Turniervorstellungen nach einem vorgegebenen Rahmen bewertet werden, aber die Frustration der Reiterin, die so lange und so bemüht mir dem Pferd trainiert und gearbeitet hat war leider so groß, dass sich unsere Wege nach diesem Turnier trennten.
Ich denke oft an dieses für die Reiterin sehr traurige Erlebnis und habe mich des öfteren gefragt, ob es mit meiner Einstellung überhaupt möglich ist, meine Reitschüler gut auf Turniere vorzubereiten.
Solange es aber Reiter gibt, denen ebenso mehr an harmonischem, fairen und respektvollen Miteinander zwischen Pferd und Reiter liegt als an einer Platzierung, bin ich noch immer der Überzeugung, dass beides sich nicht ausschließen muss.